Summer Breeze Open Air 2022, Dienstag, 16. August | Livereport bei Stormbringer.at

2022-10-14 19:48:49 By : Mr. Kenny Liang

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Es ist so weit! Drei Jahre der Düsternis und Entbehrungen sind passé! Die Zeit ist reif für den Neustart der Festivalsaison und damit natürlich auch für das Summer Breeze Open Air! Die wilden Horden machen sich auf den zuweilen beschwerlichen Weg über Stock, Stein und Baustellen hin ins gelobte Land jenseits der mittelfränkischen Grenze [Teile der Stormbringer Crüe (der Anmerker eingeschlossen) versuchen konsequent, seit mehr als einem Jahr, die Bezeichnung "Heilige Landebahn" zu etablieren!" Anm. von Ernst Lustig]. Bereits zwei Stunden vor der Ankunft häufen sich vollgepackte Kombis, matt-schwarze, mit Band-Insignien verzierte Bullis und auf Kreppband manifestierte Reiseziel-Informationen auf Heckscheiben. Wir alle kennen ihr Ziel und es ist dem unseren gleich. Gut, die Sache mit dem "bis nächstes Jahr" hat aus Gründen, die dem Verfasser nicht vollends im Gedächtnis geblieben sind, nicht so ganz geklappt. Aber was soll's – was zählt, ist, dass es heute wieder losgeht und wir am frühen Abend in voller Montur auf besagtem Acker [nahe der Heiligen Landebahn! Anm. von Ernst Lustig] stehen, um die Eröffnung des diesjährigen Summer Breeze Open Air live, in Farbe und ohne olfaktorischen Filter zu bezeugen und für euch zu dokumentieren.

Fast pünktlich, um 17.05 Uhr, entert die erste Band des Jubiläums-Summer Breeze die Ficken Party Stage auf dem Campingplatz-Gelände. VOODOO KISS sind heiß, das ist deutlich zu spüren. Ein Intro zur Einleitung, dann startet das Quartett mit "The Beauty And The Beast". Wunderbarerweise steht Steffi Stuber, die auf dem Album für die Backing Vocals zuständig war, die komplette Show über als stimmgewaltige Unterstützung des gut auflegten Frontmannes Gerrit (der Stammsänger der deutschen Power Metal-Veteranen SACRED STEEL) mit auf der Bühne. Stormbringer schickt seine beiden besten Semiprofis in den Fotograben, und – oh Wunder – bei 1.000 Schüssen sind tatsächlich zehn verwertbare dabei. Achim Ostertag, seines Zeichens Gründer und Chef des Summer Breeze Open Airs, bearbeitet als VOODOO KISS-Drummer die Felle absolut on point und mit großer Hingabe.

Das Auditorium feiert die Truppe, wegen der das Festival 1997 überhaupt erst ins Leben gerufen wurde (siehe VOODOO KISS-Interview), frenetisch vom ersten bis zum letzten Song. "The Killer", "No Time", die punkige Rotzrock-Nummer "Bat An Eye", die Band ist in Hochform und ballert die Tracks ihres Debütalbums (siehe Rezension) mit sichtlicher Spielfreude ins Publikum. Bei "The Prisoner" übernimmt Steffi die Lead- Vocals. Die letzten beiden Titel sind eine einzige Huldigung der großen IRON MAIDEN, die allerdings bei Songs wie "The Eagle In The Sky" oder "Thousand Steps Of Goodbye" (von Achim liebevoll der "Woho"-Song genannt) kein Mensch vermisst. Letztgenanntes Stück wird unter lautstarker Zuhilfenahme des Publikums zelebriert und bildet einen würdigen Abschluss des Opening-Gigs.

Doch ganz zu Ende ist die Show mit "Thousand Steps Of Goodbye" noch nicht. Direkt nach dem Song betritt Steffi Stubers Lebensgefährte die Bühne und macht seiner Angebeteten unter tosendem Applaus auf der Bühne einen Heiratsantrag, der von der Gefragten selbstverständlich und mit vielen spürbaren Emotionen, ebenso wie die überreichten Rosen, ohne zu zögern angenommen wird. Ein wahrlich romantischer Abschluss des ersten SBOA-Konzerts 2022!

Weiter geht's mit CRACK UP aus Hünxe, Germany. Das eigentlich schon lange eingemottete Death-Metal-Gespann aus dem Nordwesten des Ruhrgebiets hat seinen letzten Gig vor etwa zwei Dekaden absolviert und konnte anlässlich des heutigen "The Roots Of Summer Breeze" Specials davon überzeugt (böse Stimmen auf der Bühne behaupten "dazu überredet") werden, seine Künste auf dem Acker der selbstfahrenden "Ficken"-Flaschen feilzubieten. Diesem besonderen Umstand geschuldet, beweist die Band gewissermaßen unfreiwillig die Eier des Jahrtausends, in dem sie vor dem (beinahe) kultigen Party-Schnaps-Banner auffährt. Dafür, dass ihr letzter Gig schon ein paar Tage zurückliegt, beweisen die Hünxer einen langen Atem und lassen während ihrer Show keine Kehle unblutig...und werden durch die finale Vollversammlung im letzten Song (u.a. mit Karsten Jäger von DISBELIEF) ehrenvoll zurück in ihren unterbrochenen Ruhestand verabschiedet.

Nachdem CRACK UP der Crowd bereits ordentlich eingeheizt haben, beanspruchen die Aalener Death Metal-Urgesteine von APOPHIS die Bühne für sich. Die Band verbindet eine ganze Menge mit dem Festival, speziell in den ersten Jahren war sie ein enger Wegbegleiter des Summer Breeze. Und genauso wie VOODOO KISS sind APOPHIS bereits beim allerersten SBOA 1997 mit dabei gewesen. Dementsprechend emotional aufgeladen ist die Atmosphäre auf aber auch vor der Bühne. Die ersten Klänge des eigentlichen Openers bringen dann direkt das Blut eines jeden Todesblei-Liebhabers vor Ort in Wallung. Fronter Bernd growlt sich die Seele aus dem Leib, während sich die Saitenfraktion durch ein fettes Riff nach dem anderen fräst. Mal groovig stampfend, mal mit kontrolliertem Highspeed bieten APOHPIS eine Show, die keine Wünsche offenlässt. Die letzte Nummer erinnert stilistisch an die epischen Werke von HYPOCRISY, und nach dem hervorragenden Auftritt der Lokal-Matadore ist das Publikum mehr als bereit für die folgende Show von FLESHCRAWL.

An jedem guten Festivaltag kommt der Moment, in dem dir der altehrwürdige HM-2 [ein, wie mir unser roter Baron erklärte, Effektgerät von Boss. Nein, nicht von Bruce Springsteen, sondern von der Technikfirma! Anm. von Effektgeräte-Dummy Ernst Lustig] die Hämorrhoiden wegbrutzelt – und der heutige Wärmebehandlungs-Dienstleister unseres Vertrauens hört auf den Namen FLESHCRAWL. Die Vorfreude ist groß – groß wie die unsichtbare Bürde auf den Schultern der Band, die letztes Jahr ihren Sänger 'Svenson' Groß viel zu früh verloren hat. Sprichwörtlich groß sind auch die Fußstapfen, in die Frontmann Borisz Sarafutgyinov tritt, doch wenn eine Stimme schon beim Soundcheck so durch Mark und Bein geht wie die des Ungarn, was will da noch schief gehen? Richtig: gar nix! Der zweite OSDM-Overkill des Abends (nach APOPHIS) füllt den Platz wohlig und beweist, dass die Band trotz des schweren Verlusts nicht ihre Passion für's gepflegte Gemetzel verloren hat. Mit sichtbarer Freude feiern FLESHCRAWL das Leben und Werk ihres gefallenen Helden vor überlebensgroßen Bannern, die hierzu passend unterstreichen: "Gone But Never Forgotten". Die Stimmung ist ausgelassen, mancher Luftgitarrist übt sich in Ektase und zockt seine "Klampfe" bis an die Grenze zur Selbstbefriedigung. Selbst der eigentlich ausgestorbene T-Rex gibt sich in den vorderen Reihen des Pogofelds die Ehre – ein wahrlich denkwürdiger Death-Metal-Abriss, auf den Svenson sicherlich stolz wäre.

Der zweite Headliner des Abends steht auf der Bühne. END OF GREEN-Boss Michelle Darkness gibt ein Acapella-Ständchen, toll gesungen –  aber noch komplett Soundcheck –  wie der charismatische Beanie-Träger versichert und damit das Publikum, das schon zu Hochform auflaufen wollte, erst noch mal in die Chill-Out-Phase zurückbefördert. Doch dann geht es los. Licht aus – Spot an. Der Kajal sitzt, noch schnell 'ne Fluppe angezündet –  Michelle und seine Jungs sind extrem gut aufgelegt. Das Publikum geht von Beginn an derart gut mit, dass Herr Darkness bereits nach dem zweiten Song mit einem Dankeschön ins Auditorium den Gig beendet, denn diese Stimmung sei "...eh nicht mehr zu toppen...". Humor hat er – der Michelle.

Derweil im Fotopit: während Kamerapraktikant Seriousface zur vorgerückten Stunde mit den Herausforderungen der Lichtverhältnisse zu kämpfen hat und dabei zumindest partielle Terraingewinne verbuchen kann, muss sich Kamerapraktikant Ernst der genannten beleuchtungstechnischen Herausforderung nicht mehr stellen, da er (vor der Bühne!) bemerkt, dass er beim Herausnehmen des Fotoapparates aus der Tasche (am Stormbringer-Lager, 50 Meter von der Bühne entfernt!) die Kamera-Akkus direkt in dieselbe hat fallen lassen! Life’s a bitch! Aber Kamerapraktikant Ernst wäre nicht Kamerapraktikant Ernst, wenn er sich nicht elegant aus dieser Krisensituation herausmanövrieren würde, indem er kurzentschlossen das technisch exzellent ausgestattete, chinesische Smartphone zückt und damit vollkommen unprofessionell einige lucky shots zustande bringt. But who cares? Steht ja am Ende nicht am fertigen Bild, welche Odyssee sich hinter der Entstehung des jeweiligen Schnappschusses verbergen kann. Der Abend ist gerettet. Und da dieser kaum noch besser werden kann, lassen wir Michelle die Darkness von hier an ohne uns weiter besingen und kehren zufrieden in die Basis des Mönchsrother Stormbringer-Pressezentrums zurück.

Frisch aufgewärmt und auf die Shows der kommenden Tage eingestimmt, waten wir auf dem Rückweg zur home base durch dichte Wolken aus veganen Smokables und Chemoklo-Aerosolen. Der vom unfreiwilligen Passiv-Graskonsum aufkommende Hunger wird durch die erlesenen Düfte aus dem Plaste-Örtchen in zumutbaren Grenzen gehalten [Man könnte meinen, die erst am Donnerstag auftretenden WC-Grinder von GUTALAX hätten ihren Soundcheck bereits auf heute vorverlegt und würden ihren Gute-Laune-Hit "Toi Toi Story" in Dauerrotation durchproben! Anm. von Ernst Lustig]. Die "Ficken-Disco" können wir uns heute noch einmal verkneifen, denn morgen ist auch noch ein Tag. Und übermorgen. Und so weiter!

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